Schilddrüsenkrebs – Risikofaktoren, Ursachen und Prävention
Ein Risikofaktor ist ein Aspekt, der die Entstehung einer Krebserkrankung begünstigen kann. Für jede Krebsart gibt es unterschiedliche Risikofaktoren. Auch bei Vorliegen eines oder sogar mehrerer Risikofaktoren kommt es nicht zwangsläufig zu einer Krebserkrankung. Andererseits kann sich auch dann eine Krebserkrankung entwickeln, wenn bei der betroffenen Person keinerlei Risikofaktoren vorliegen.
Risikofaktoren für Schilddrüsenkrebs
Die im Folgenden aufgeführten Risikofaktoren begünstigen die Entstehung eines Schilddrüsenkarzinoms. Auf einige hat man Einfluss, auf andere, wie etwa das Alter oder eine familiäre Vorbelastung, hingegen nicht.
Risikofaktoren, auf die man keinen Einfluss hat:
Geschlecht und Alter
Schilddrüsenkarzinome treten bei Frauen dreimal häufiger auf als bei Männern. Warum das so ist, konnte man noch nicht herausfinden.
Schilddrüsenkrebs kann in jedem Alter auftreten. Frauen sind zum Zeitpunkt der Diagnose meistens zwischen 40 und 50 Jahre alt, während die Erkrankung bei Männern im Allgemeinen im Alter zwischen 60 und 70 Jahren auftritt.
Erbliche Vorbelastung
Bestimmte Formen des Schilddrüsenkarzinoms werden mit verschiedenen erblichen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Doch die meisten Menschen, die an Schilddrüsenkrebs erkranken, weisen keine erbliche oder familiäre Vorbelastung auf.
Medulläres Schilddrüsenkarzinom
Rund zwei von zehn medullären Schilddrüsenkarzinomen (MTC) werden durch eine vererbte Genmutation verursacht. In diesen Fällen spricht man von einem familiären medullären Schilddrüsenkarzinom (FMTC).
Das FMTC kann isoliert (35% der Fälle) oder in Kombination mit anderen Tumoren auftreten. Ist das FMTC kombiniert mit Tumoren anderer endokriner Drüsen, spricht man von einer multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 (MEN 2). Mit MEN 2A und 2B existieren zwei Unterformen, die beide durch Mutationen im RET-Gen verursacht werden.
- Im Fall von MEN 2A, auch bekannt als Sipple-Syndrom, ist das MTC assoziiert mit Phäochromozytomen (Tumoren der Nebenniere) und Tumoren der Nebenschilddrüse.
- Im Fall von MEN 2B, auch als Gorlin-Vickers-Syndrom bezeichnet, ist das MTC mit Phäochromozytomen und gutartigen Veränderungen des Muskelgewebes und des Skeletts assoziiert. Diese Unterform ist deutlich seltener als MEN 2A.
Bei den erblichen Formen des MTC tritt der Krebs häufig schon in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter auf und kann sich sehr schnell verbreiten. Beim MEN-2B-Syndrom ist das MTC am aggressivsten. Wenn in Ihrer Familie ein MEN-2A-, ein MEN-2B- oder ein isoliertes FMTC-Syndrom bekannt ist, besteht für Sie ein stark erhöhtes Risiko, ein MTC zu bekommen. Bitten Sie Ihren Arzt, regelmäßig ein Blutbild zu veranlassen und Sie entsprechend zu untersuchen und besprechen Sie mit ihm die Möglichkeit eines Gentests.
Weitere Krebserkrankungen der Schilddrüse
Für Menschen mit bestimmten erblichen Krankheiten besteht ein erhöhtes Risiko, an einer der gängigeren Formen des Schilddrüsenkarzinoms zu erkranken. So beobachtet man ein gehäuftes Auftreten von Schilddrüsenkrebs bei Menschen mit weniger häufigen genetisch bedingten Krankheiten:
- Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP): Bei Menschen mit diesem Syndrom kommt es zu einem massiven Befall des Dickdarms mit Polypen, und für sie besteht ein stark erhöhtes Darmkrebsrisiko. Darüber hinaus weisen sie auch ein erhöhtes Risiko für weitere Krebsarten auf, darunter das papilläre Schilddrüsenkarzinom. Das Gardner-Syndrom ist eine Unterform der FAP, bei der die Betroffenen ebenfalls bestimmte gutartige Tumoren entwickeln. Sowohl das Gardner-Syndrom als auch FAP werden durch Mutationen im APC-Gen verursacht.
- Cowden-Syndrom: Menschen mit diesem Syndrom haben ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenprobleme und bestimmte gutartige Tumoren (Hamartome). Außerdem ist ihr Risiko für eine Krebserkrankung der Schilddrüse, der Gebärmutter, der Brust sowie weitere Krebsarten erhöht. Bei den Schilddrüsenkarzinomen handelt es sich im Allgemeinen um ein papilläres oder follikuläres Karzinom. Das Syndrom wird meistens durch eine Mutation im PTEN-Gen verursacht und ist auch unter der Bezeichnung PTEN-Hamartom-Tumorsyndrom (PHTS) bekannt.
- Carney-Komplex: Bei Personen mit diesem Syndrom besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung diverser gutartiger Tumoren und einen gestörten Hormonhaushalt. Außerdem ist ihr Risiko, an einem papillären oder follikulären Schilddrüsenkarzinom zu erkranken, erhöht. Verursacht wird der Carney-Komplex durch Mutationen im PRKAR1A-Gen.
- Familiäres, nicht-medulläres Schilddrüsenkarzinom: In bestimmten Familien kommt Schilddrüsenkrebs häufiger und oft in einem jüngeren Alter vor. Familiäre Häufungen werden insbesondere beim papillären Schilddrüsenkarzinom beobachtet. Man vermutet, dass Gene auf Chromosom 19 und Chromosom 1 diese familiären Erkrankungen verursachen.
Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin, wenn Sie den Verdacht haben, dass bei Ihnen eine familiär bedingte Erkrankung vorliegt. Sie kann Ihnen eine genetische Beratung empfehlen, sofern die medizinische Vorgeschichte Ihrer Familie dies nahelegt.
Familiäre Häufung
Wenn ein Verwandter oder eine Verwandte ersten Grades (Eltern, Bruder, Schwester, Kind) an Schilddrüsenkrebs erkrankt ist, steigt Ihr Schilddrüsenkrebsrisiko auch dann, wenn kein erbliches familiäres Syndrom bekannt ist. Die genetische Grundlage dieser Krebserkrankungen ist nicht eindeutig.
Risikofaktoren, auf die man Einfluss nehmen kann:
Strahlung
Eine Strahlenexposition insbesondere in der Kindheit ist ein erwiesener Risikofaktor für Schilddrüsenkrebs. Die Strahlenexposition kann im Rahmen einer medizinischen Behandlung erfolgt oder durch den radioaktiven Fallout nach einem Unfall in einem Kernkraftwerk oder nach Atomtests verursacht worden sein. Auch Menschen, die in ihrer Kindheit eine Strahlentherapie zur Behandlung bestimmter Karzinome – z.B. Lymphom, Wilmstumor oder Neuroblastom – haben, weisen ein erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung der Schilddrüse auf.
Eine frühere externe Strahlentherapie von Kopf, Hals oder oberem Brustkorb erhöht das Risiko, Jahre später an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Erfolgt die Strahlenexposition im Erwachsenenalter, besteht ein deutlich geringeres Risiko für ein Schilddrüsenkarzinom.
Übergewicht oder Adipositas
Nach Angaben der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) besteht für übergewichtige oder adipöse Menschen ein höheres Risiko als für andere Menschen, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Man geht davon aus, dass das Risiko mit zunehmendem Body-Mass-Index (BMI) steigt.
Schilddrüsenkrebs – die Ursachen
Krebserkrankungen können durch Mutationen der DNA verursacht werden, die bestimmte Onkogene aktivieren oder Tumorsuppressorgene deaktivieren. Der Mensch erhält zwei Kopien jedes Gens – eine von jedem Elternteil. Es kommt vor, dass man von einem oder beiden Elternteilen eine beschädigte DNA erbt. Allerdings werden die meisten Krebserkrankungen nicht durch ererbte Genmutationen ausgelöst, sondern die Gene mutieren im Laufe des Lebens. Zu diesen Mutationen kann es kommen, wenn die DNA einer Zelle beschädigt wird, zum Beispiel durch die Umwelt, etwa durch Strahlung, oder aufgrund eines zufälligen Ereignisses in der Zelle, das nicht durch äußere Umstände bedingt ist.
Papilläres Schilddrüsenkarzinom
Für die Zellen des papillären Schilddrüsenkarzinoms sind verschiedene DNA-Mutationen bekannt. Die Mehrzahl dieser Karzinome weist Veränderungen in bestimmten Abschnitten des RET-Gens auf. Die mutierte Form dieses Gens, bekannt als Onkogen PTC, ist in rund 10 bis 30 % aller papillären Schilddrüsenkarzinome vorhanden, wobei der Anteil bei Kindern und/oder bei einer Strahlenexposition höher liegt. Diese RET-Mutationen werden normalerweise eher im Laufe des Lebens erworben als ererbt. Sie finden sich ausschließlich in den Tumorzellen und werden nicht an die Kinder der betroffenen Personen weitervererbt.
Einige papilläre Schilddrüsenkarzinome weisen eine Mutation im BRAF-Gen auf. BRAF-Mutationen kommen in Schilddrüsenkarzinomen von Kindern und bei Krebserkrankungen nach Strahlenexposition seltener vor. Karzinome mit BRAF-Mutation wachsen tendenziell schneller und streuen schneller in andere Organe. BRAF- und RET/PTC-Mutationen beschleunigen das Zellwachstum und die Zellteilung.
Es kommt extrem selten vor, dass gleichzeitig Mutationen in BRAF und RET/PTC auftreten. Bisweilen wird von ärztlicher Seite empfohlen, Gewebeproben der Schilddrüse auf diese Genmutationen zu untersuchen, da sie die Krebsdiagnose erleichtern und von Bedeutung für die Heilungsaussichten der Erkrankten sind. Es gibt noch weitere Genmutationen, die in Zusammenhang mit dem papillären Schilddrüsenkarzinom gebracht werden, hier ist vor allem das NTRK1-Gen zu nennen.
Follikuläres Schilddrüsenkarzinom
Erworbene Mutationen im RAS-Onkogen sowie Veränderungen des PAX8-PPAR-γ-Rearrangements spielen bei der Entstehung bestimmter follikulärer Schilddrüsenkarzinome eine Rolle.
Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom
Diese Krebserkrankungen neigen zu einigen der oben beschriebenen Mutationen und weisen häufig Veränderungen des Tumorsuppressorgens TP53 auf.
Medulläres Schilddrüsenkarzinom
Bei Personen mit einem medullären Schilddrüsenkarzinom (MTC) liegen die Mutationen im RET-Gen in anderen Abschnitten vor als bei Personen mit einem papillären Schilddrüsenkarzinom. Fast alle Personen mit der erblichen Form des MTC und eine von zehn Personen mit der sporadischen (nicht erblichen) Form des MTC weisen eine Mutation des RET-Gens auf.
Lässt sich Schilddrüsenkrebs verhindern?
Bei den meisten Menschen, die an Schilddrüsenkrebs erkranken, liegt kein bekannter Risikofaktor vor. Darum lässt sich die Mehrzahl der Schilddrüsenkarzinome nicht verhindern. Eine Strahlenexposition, insbesondere im Kindesalter, ist ein bekannter Risikofaktor für Schilddrüsenkrebs.
Mithilfe von Gentests lassen sich Genmutationen auffinden, die beim familiären medullären Schilddrüsenkarzinom (MTC) vorkommen. So lassen sich die meisten Fälle des familiären MTC verhindern oder in einem frühen Stadium durch die Entfernung der Schilddrüse behandeln. Sobald die Erkrankung in der Familie festgestellt wurde, können die restlichen Familienmitglieder auf das mutierte Gen getestet werden. Bei vorliegender familiärer Häufung von MTC sollte man sich unbedingt ärztliche Unterstützung suchen, um einen Gentest durchführen zu lassen. Mit der Entfernung der Schilddrüse bei Kindern, die Träger der Genmutation sind, lässt sich eine Krebserkrankung verhindern, die andernfalls tödlich sein könnte.