Dr. Krombach, hat Prostatakrebs schon vor der Behandlung negative Auswirkungen auf die Fertilität und Libido des Mannes?
Im ersten Stadium fast gar nicht. Es kann theoretisch zu Erscheinungen wie Blut im Sperma kommen, aber das tritt nur sehr selten auf.
Bei den Therapien gegen den Krebs sieht es anders aus. Mit welchen Auswirkungen auf die Sexualität müssen Betroffene hier rechnen?
Das hängt maßgeblich von der angewandten Therapieform ab. Eine aktive Überwachung kann sich natürlich auf die Psyche und damit auch auf die Libido auswirken, aber ansonsten hat diese keinerlei Effekt auf die Sexualität. Weil direkt an der Prostata Nerven verlaufen, die für die Erektionsfähigkeit unabdingbar sind, kann jede interventionelle Therapie hier einen Impakt haben, ob chirurgisch, durch Strahlen oder eine andere Energieform. Eine operative Entfernung der Prostata führt automatisch zur Unfruchtbarkeit, weil der Weg der Samenzellen unterbunden wird.
Und bei einer Bestrahlung?
Es gibt verschiedene Strahlentherapien, die sich jeweils auch etwas unterschiedlich auf die Sexualität auswirken. Das Ziel einer Bestrahlung ist es, die Prostatazellen mitsamt dem Krebs zu töten, sodass sie kein oder nur noch wenig Sekret mehr produziert. Dieses ist aber für die Funktionstüchtigkeit der Spermien nötig. Zudem kann eine Bestrahlung die umherliegenden Nerven beschädigen, die es für eine Erektion braucht - meist ist das aber erst nach ein, zwei oder sogar drei Jahren spürbar. Insgesamt wirkt die Bestrahlung sich weniger auf das Erektionsvermögen aus als eine OP. Dann haben wir noch die begleitende Hormontherapie, diese unterbindet die Testosteronproduktion und macht dadurch unfruchtbar und führt zu einem Libidoverlust. Bei einer dauerhaften Hormontherapie ist dieser Zustand dann auch definitiv.
Für viele Männer seien die Themen Sexualität und Erektionsprobleme tabu, sagt Dr. Patrick Krombach. Deshalb sei es wichtig, diese in den Sprechstunden zu thematisieren und zu normalisieren: „Viele brauchen einen Schub Motivation, damit sie ihre Komfortzone verlassen.“
Nach einer Prostataentfernung kann es bis zu einem Jahr dauern, bis das Erektionsvermögen wiederhergestellt ist, weil die Nervenstränge Zeit brauchen, um sich vom Eingriff zu erholen und zu heilen. In der Zwischenzeit rät Krombach dazu, die Potenz zu trainieren, indem man versucht, Erektionen zu bekommen - mit medikamentöser Hilfe oder ohne.
Wie besorgt sind die Patienten über diese Nachwirkungen und wie begegnet man diesen Ängsten als Arzt?
Weil Prostatakrebs fast nur Männer ab 50-60 betrifft, ist Fertilität kein so großes Thema, weil die Familienplanung abgeschlossen ist. Sollte das nicht der Fall sein, kann man Spermien einfrieren lassen. Das andere ist das Sexualleben, welches noch eine große Bedeutung hat. Neben dem körperlichen geht es hier viel um die Psyche, man muss nach einer Behandlung geduldig sein, nicht resignieren. Ich versuche den Patienten klarzumachen, dass Sex mehr als eine Erektion ist, dass man auch ohne diese einen Orgasmus haben kann. Und eine Erektion ist immer im Bereich des Möglichen, es kommt nur darauf an, wie viel man bereit ist zu unternehmen.
Welche Maßnahmen gibt es denn?
Zuerst kann man Pillen wie Viagra verabreichen, die die Erektionsfähigkeit verbessern. Die Studienlage ist aber nicht ganz eindeutig, ob diese nach einer OP eine signifikante Verbesserung bewirken. Diese Pillen verhindern vor allem, dass die Erektion abgebaut wird, nicht, dass man überhaupt eine bekommt. Das muss der Körper selber leisten. Ist das nicht möglich, helfen Spritzen, die Arterien im Penis zu weiten. Dieses Mittel ist sehr effizient, daher muss man aufpassen, nicht zu viel zu verabreichen. Wer eine Alternative ohne Nebenwirkungen und Risiken sucht, kann es mit einer Penispumpe versuchen, die mittels eines Vakuums eine Erektion hervorruft. Wie gesagt: Hilfsmittel gibt es viele, doch man muss sich zuerst für diese entscheiden.
Die Stigmatisierung verringern
Sex ist Kopfsache und deshalb ist es wichtig, auch die psychischen Hürden der Erektionsfähigkeit anzugehen. Oft gebe es eine falsche Erwartungshaltung und zu viel Druck, sagt Patrick Krombach. Oder die Männer würden sich schämen und das Thema zu Hause totschweigen, weil sie sich entmannt fühlen. Dabei sei ein offenes Gespräch mit der Partnerin oder dem Partner unabdingbar, um das Problem gemeinsam anzugehen und Lösungen zu finden. “Niemand sollte verbergen müssen, dass er Pillen oder Spritzen braucht”, so Krombach. Darüber hinaus bieten auch Selbsthilfegruppen Rat und ein offenes Ohr von Mitbetroffenen, was dabei hilft, gewisse Stigmen abzubauen.
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