„Krebszellen müssen häufig unter schwierigen Bedingungen überleben – schlechte Blutversorgung, Nährstoffmangel und schlechte Sauerstoffversorgung sind nur einige der Hindernisse, die sich ihnen stellen. Doch Krebszellen sind in der Lage, Gene wie HIF-1 so zu verändern, dass ihr Überleben gesichert ist. Im Rahmen von HifReg werden verschiedene Spitzentechnologien zum Einsatz kommen, um ein sicheres und wirksames Mittel zu finden, das einem bösartigen Tumor die Fähigkeit nimmt, bei geringer Sauerstoffzufuhr zu überleben.“
Professor Gunnar Dittmar, LIH
HIF-1: Der Schlüssel zum Überleben der Zellen
Wie alle anderen Zellen in unserem Körper brauchen auch Krebszellen Sauerstoff zum Überleben. Sie benötigen den Sauerstoff, um mithilfe eines Prozesses, den man als „oxidative Phosphorylierung“ bezeichnet, Energie zu gewinnen. Diese Energie dient dann dem Wachstum oder der Teilung der Zelle. Darum kann es sein, dass ein Tumor aufhört zu wachsen, wenn man seine Sauerstoffzufuhr reduziert.
Die Zellen im Zentrum von soliden Tumoren werden nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Bei einem Sauerstoffmangel sind alle Zellen in der Lage, ihre Energieproduktion umzustellen: Die Glykolyse ist ein Prozess, bei dem aus Glukose ohne Sauerstoffzufuhr Energie produziert wird. Reguliert wird diese Veränderung im Energiestoffwechsel im Wesentlichen durch den Hypoxia-Inducible Factor-1, kurz HIF-1. HIF-1 verbessert das Überleben von Krebszellen bei fehlender Sauerstoffzufuhr bei Brust- und Darmkrebs sowie bei Glioblastomen.
Zwar konnten die grundlegenden Regulationswege von HIF-1 bereits identifiziert werden, doch noch immer sind viele Details hinsichtlich seiner Funktionsweise unbekannt. Erkenntnisse darüber, wie HIF-1 mit anderen Proteinen interagiert, könnten zu einem besseren Verständnis dieser Prozesse beitragen, sodass man Mittel finden könnte, mit denen sich HIF-1 über alternative Regulationswege aktivieren und deaktivieren ließe. Die Regulierung von Zellbahnen funktioniert nach dem Dominoprinzip: Unterbricht man einen Teil der Kette, bricht der gesamte Prozess zusammen.
Die Fondation Cancer hat das Forschungsprojekt HifReg gemeinsam mit dem FNR mit einer Summe von 751.000 € kofinanziert
Den Krebszellen ihre Anpassungsfähigkeit nehmen
Die oxidative Phosphorylierung liefert ausreichend Energie, damit eine Zelle überleben und sich vervielfältigen kann. Doch im Falle einer Hyperoxie oder eine Hypoxie – wenn entweder zu viel oder zu wenig Sauerstoff vorhanden ist - entstehen bei diesem Prozess schädliche Moleküle, die reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). Bei Sauerstoffmangel muss der Tumor einen Weg finden, den durch eine erhöhte ROSRate bedingten Gefahren zu entgehen. Mithilfe von HIF-1 können die Zellen ihre Energieversorgung auf Glykolyse umstellen, sodass die Krebszellen diesem Problem entgehen können.
Dank HIF-1 können Krebszellen auch resistent gegenüber der Chemotherapie werden. Der Grund scheint die Fähigkeit von HIF-1 zu sein, unter hypoxischen Bedingungen die Zahl der kanzerösen Stammzellen zu erhöhen (die sich differenzieren und anpassen können, um zu überleben) – vermutlich, um die Zellen gegen die ROS zu schützen. Aufgrund seiner wichtigen Bedeutung für die Überlebensrate bei Krebs ist HIF1 ein vielversprechender Ansatzpunkt in der Therapie. Doch HIF-1 gezielt anzusteuern ist kompliziert, denn HIF-1 ist an einer Vielzahl von essenziellen Signalwegen beteiligt. Bis dato wurde noch kein Wirkstoff für klinische Studien zugelassen. Sobald man mehr über die Signalwege weiß, an denen HIF-1 beteiligt ist, kann man HIF-1 gezielt angehen und gleichzeitig die Nebenwirkungen der Behandlung reduzieren.
Wenn solide Tumoren sehr schnell wachsen, benötigen sie bald mehr Sauerstoff und Nährstoffe, als das Blut ihnen liefern kann. Darum besteht in bestimmten Teilen des Tumors, insbesondere im Zentrum der Tumormasse, ein im Vergleich zu gesunden Zellen stark verringertes Sauerstoffniveau. Ihr Überleben hängt von Mechanismen ab, die es ihnen ermöglichen, sich diesen Bedingungen anzupassen.
Schon gewusst?
- Tumorhypoxie tritt auf, wenn Krebszellen nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden
- Tumorhypoxie kommt in vielen Tumoren vor, insbesondere in Brust-, Lungen- und Darmtumoren
- Die Hypoxierate korreliert mit der schlechten Prognose von Krebspatienten
- HIF-1 ist eines der Schlüsselgene, die das Überleben von Krebstumoren in einem sauerstoffarmen Milieu ermöglichen
HifReg: Neue Wege, um HIF-1 gezielt anzusteuern
Zur genauen Identifikation der Proteinnetzwerke, die mit HIF-1 interagieren oder durch HIF-1 aktiviert werden, hat das Team um Professor Dittmar am Luxembourg Institute of Health (LIH) einen systematischen Ansatz gewählt: Das Team arbeitet mit der PrISMa-Technologie, die unlängst von Dittmars Labor entwickelt wurde. Diese Technologie produziert enorme Datenmengen, die, um sie in ihrer Gesamtheit zu begreifen, einer umfassenden bioinformatischen Analyse bedürfen. Mithilfe dieser Analyse konnte die Interaktion von HIF-1 mit wichtigen zellulären Regulationswegen nachgewiesen werden. Besonders interessant ist die Interaktion mit den „Ubiquitin-E3-Ligasen“, Molekülen, die ein Protein wie HIF-1 gezielt angreifen können, um es zu zerstören. Wenn man versteht, wie diese Proteine die Stabilität von HIF-1 beeinflussen, kann man neue Behandlungsmethoden entwickeln, die die Fähigkeit von HIF-1, das Tumorwachstum zu begünstigen, ausschalten.
„Im Rahmen von HifReg können wir herausfinden, wie wir HIF-1 ganz gezielt durch Krebstherapien erreichen“, erläutert Professor Gunnar Dittmar, Leiter der Forschungsgruppe Proteomics of Cellular Signaling und HifReg-Projektleiter
Professor Gunnar Dittmar
Professor Gunnar Dittmar ist Leiter der Forschungsgruppe Proteomics of Cellular Signaling in der Abteilung Infektion und Immunität am LIH. Für sein Projekt verwendet er die Technik der Massenspektrometriebasierten Proteomik, um die Interaktionsnetzwerke in Proteinstrukturen und die Signalwege von Zellsystemen und -geweben zu verstehen. Die Erkenntnisse aus dem Projekt ermöglichen eine verbesserte Diagnostik und die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden.
Ein Projekt, das neue Ansatzpunkte für die Krebstherapie liefern könnte
„Dieses Projekt erfordert zahlreiche Techniken wie Interaktomanalyse, Klonierung verschiedener Mutanten und Erzeugung von Krebszelllinien mit einer deaktivierten Version von HIF-1 sowie die Verwendung von Proben von Lungen- und Dickdarmkarzinomen, um die Regulation von HIF-1 besser zu verstehen“, so Prof. Dittmar.
Mithilfe von HifReg können die Kenntnisse über die Regulation von HIF-1 erweitert werden. Die systematische Analyse von Proben aus Kolonkarzinomen zur Ermittlung des Expressionsniveaus von HIF-1 und seinen möglichen Regulatoren wird erstmals einen detaillierten Blick darauf gewähren, wie die HIF-1-Expression der Patientinnen und Patienten modifiziert wird. Da ubiquitäre Enzyme besonders interessante Ansatzpunkte für Wirkstoffe sind, für die bereits diverse Inhibitoren entwickelt wurden oder sich in der Entwicklung befinden, wird ihre Verbindung zu HIF-1 neue Wege für die zielgerichtete Hemmung dieses Moleküls eröffnen.
Das Zentrum einer Tumormasse ist häufig hypoxisch, da es von den Blutgefäßen, die kaum in den Tumor vordringen können, schlecht versorgt wird und weil die Zellen sich dort unkontrolliert vermehren. Hypoxische Krebszellen sind in der Lage, ihren Stoffwechsel neu zu organisieren und sich der chemotherapeutischen Behandlung zu entziehen.
„Eine wirksame und spezifische Ausrichtung auf HIF-1 ist bis heute noch nicht gelungen“, so Professor Dittmar. „Wenn wir verstehen, wie HIF-1 stabilisiert wird, eröffnet das neue Möglichkeiten, HIF1 im Rahmen der Behandlung solider Tumoren gezielt anzugreifen. Mithilfe dieser Daten lassen Patienten und Patientinnen mit soliden Tumoren sich genauer charakterisieren, sodass für sie eine personalisierte Behandlung entsprechend der Expression der wichtigsten Sauerstoffdetektoren und Stoffwechselregulatoren möglich wird.“
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